Verzeihen – vergessen – vergeben

Liebe Freundinnen und Freunde des Erzählcafés,

sind Sie nachtragend? Wenn ich mich so betrachte, komme ich manchmal zu dem Schluss, dass ich Verletzungen doch relativ lange mit mir herumtrage und es einige Zeit dauert, bis ich bereit zur Versöhnung bin, oder mich davon lösen kann. Aber das, was ich da nachtrage, fesselt mich natürlich an das Ereignis und ruft es immer wieder auf. Ich kann es nicht so einfach auf Knopfdruck vergessen, es hängt nun mal in den Kleidern meiner Seele. Da braucht es geduldige Überzeugungsarbeit mit sich selbst.

Was nützt es mir also nachtragend zu sein?

Da sind wir schon mitten im Thema: wir alle machen Fehler und sind auf Vergebung angewiesen. Und wurden wir verletzt, brauchen wir das Verzeihen, um uns vom erlittenen Unrecht zu lösen. So wie ein Mensch, der an uns schuldig wurde, Einsicht in seine Tat, Reue und Verzeihung braucht, um von seinem Tun loszukommen. Ohne die Bereitschaft zu Schuldeinsicht und Vergebung kann keine menschliche Gesellschaft überleben.

Neben diesem sozialen Prozess gibt es noch die intrapersonelle Auseinandersetzung, in diesem Zusammenhang das schwierigste Kapitel: im Diskurs mit meinem Gewissen eigene Schuld einzugestehen, aber auch mir zu verzeihen und Nachsicht zu zeigen. Ebenso über eigene Verletzungen hinwegzukommen und an meiner Versöhnungsbereitschaft zu arbeiten. Oft sind wir ja uns selbst gegenüber am unduldsamsten.

Was haben Sie erlebt, im Dreieck von Schuld, Vergebung und Dialog mit sich selbst? Welche Schritte gehören zu diesem Prozess, was hat Ihnen dabei weitergeholfen? Ich bin sehr gespannt auf Ihre Geschichten!

Natürlich sind Sie auch herzlich willkommen, wenn Sie nur zuhören möchten. Ohne Zuhörer gibt es schließlich keine Geschichten.

Herzlich
Ihr Peter Gößwein