Die Trennung von Religion und Staat erscheint uns als Selbstverständlichkeit und staatliche „Religionspolitik“ als Versuch, das Religiöse von außen einzuhegen. Und doch erleben wir immer wieder, dass die Bereiche sich überlappen und wechselseitig beeinflussen. Besonders deutlich wird die Komplexität dieses Verhältnisses, wenn wir uns von westlichen Perspektiven und von der Gegenwart lösen. Heinrich Barth, der wohl bedeutendste deutsche Afrikareisende des 19. Jahrhunderts, kann uns u.a. auch als Zeuge für den Wandel religiöser Selbstwahrnehmungen im Verhältnis zum Staat im vorkolonialen Westafrika dienen.
Von diesem historischen Ausgangspunkt gehen wir der Frage nach Religionspolitik als einer wechselseitigen Interaktion zwischen staatlichen und religiösen Akteuren nach. Dabei geht es um die Produktion religiösen Wissens, aber auch um überstaatliche Vernetzungen und um die Beziehungen zwischen verschiedenen Religionen.
Diese Fragen möchten wir entlang von drei Länderbeispielen verfolgen. Ein erster Blick richtet sich hierbei auf neuere Entwicklungen im heute multireligiösen Westafrika – nach Barths Reise, in der Religion und Politik zu verschmelzen schienen.
In der Türkei scheint heute der Staat den Islam stark zu fördern. Doch nicht alles, was dort im Namen des Islam geschieht, muss ja legitim im Sinne muslimischer Theologen und Theologinnen sein. Hier wären wir beim theologischen Eigensinn.
Davon ausgehend schlagen wir schließlich den Bogen zurück nach Deutschland und befragen einen muslimischen Theologen nach seiner Sichtweise auf die staatliche Islampolitik hierzulande: Was hilft der Kommunikation der Religionsvertreter, untereinander aber auch im Gespräch mit ihren christlichen Kollegen, und wo scheint der Staat zu viel Anpassung zu verlangen?