Anne Weber begibt sich in ihrem neuen Roman an den Rand: Wo die Stadt aufhört und die Vorstadt anfängt, ist in Paris klar markiert durch den Périphérique, den zu überschreiten Anne Webers Erzählerin bisher kaum in den Sinn gekommen ist. Denn was gibt es dort, in den Banlieues, außer einem Geflecht aus Schienen, Schnellstraßen und Autobahnen? Außer der so notorischen Not, Gewalt und Armut?
Als ihr alter Freund Thierry ihr jedoch vorschlägt, ihn für einen Film durch die Vorstädte des Départments Seine-Saint-Denis zu begleiten, muss sie sich eingestehen, dass sie für die nächste Nähe jahrzehntelang blind gewesen ist. Denn sie findet auf dieser Reise zu Fuß, ohne feste Route und auf vielen Umwegen durch die Banlieues vieles – vor allem das, was sie weder gesucht noch erwartet hätte.
Mit zärtlicher Ironie und großer Beobachtungsgabe öffnet sich Anne Weber in Bannmeilen dem Unvertrauten und Anderen. Dort lernt sie ihren Freund Thierry, der seine Identität als Sohn eines algerischen Vaters und einer französischen Mutter als „entre deux ailleurs“- zwischen zwei Woanders versteht, neu kennen. Sie entwirft damit nicht nur das Bild einer komplexen Freundschaft, sondern umkreist die großen gesellschaftlichen Fragen, wie die nach dem Ankommen oder der Vermittlung von Nebeneinander und Miteinander.
Anne Weber lebt als Autorin und Übersetzerin in Paris. Ihre Bücher wurden u.a. mit dem Heimito von Doderer-Literaturpreis, dem Kranichsteiner Literaturpreis und dem Johann-Heinrich-Voß-Preis ausgezeichnet. Für ihr Buch Annette, ein Heldinnenepos erhielt Anne Weber 2020 den Deutschen Buchpreis. Zuletzt: Über gute und böse Literatur. Korrespondenz über das Schreiben (Berlin 2022).
Eine Kooperationsveranstaltung der Katholischen Akademie in Berlin und der Guardini Stiftung im Forum Guardini.