Der Anspruch an individuell geprüftes Asyl ist ein hohes Verfassungsgut, aber schwer unter Druck: den einen gilt es als ausgehöhlt, den anderen zum Ersatz-Zuwanderungsweg deformiert. Die Dublin-Regel wird beschworen und ignoriert. Wie weiter?
Es spricht vieles dafür, dass Asyl und Zuwanderung auf längere Sicht allen anderen politischen Themen den Rang ablaufen kann. Die derzeit verringerten Zugangszahlen werden nur jene beruhigen, die die Situation in den Herkunftsländern und an den Außengrenzen des Schengenraumes ausblenden. Zwischen anhaltender Aufnahmebereitschaft und dem Wunsch nach möglichst vollständiger Abschottung zieht sich ein Graben durch die Gesellschaft. Ein parteiübergreifender Konsens scheint allenfalls darin zu bestehen, „dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen soll“. Aber welche Implikationen hat dieser Wunsch? Was bietet die Gesellschaft jenen an, die bereits hier sind, und wie soll sie sich gegenüber denen verhalten, die in Zukunft kommen wollen?
Hans-Jürgen Papier ist der Überzeugung, dass es dringend grundlegender rechtlicher Anpassungen bedarf, um die Gewährung von Schutz und Asyl in Deutschland und der EU in Zukunft zu regeln und eine Zweckentfremdung des Asylrechts als Ersatz-Zuwanderungsweg zu beenden. In Deutschland mit seiner Tradition eines Individualgrundrechts auf Asyl stellt sich jedoch die Frage, wie eine solche Reform aussehen kann, ohne Rechts- und Verfahrensgrundsätze zu beschädigen.