Wir haben wenig Zeit große Philosophen zu lesen, und im Zweifel verstehen wir sie nicht mal. Wir haben nicht die Zeit, über Gott und die Welt lange nachzusinnen, und wir haben nicht wirklich in die Tiefen geschaut, die unter der Oberfläche des uralten christlichen Glaubens liegen. Wir ahnen sie nur. Kennen vielleicht ein paar, wüssten gerne mehr.
In den Tauchgängen sprechen Theologinnen und Theologen, Philosophinnen, Dichter und Künstler über einzelne Aspekte im Glauben, die sie besonders groß oder schön finden, die sie besonders berührt haben – mal war das ein Film, eine Musik, ein philosophisches Problem. Sie werden es uns erklären, so dass wir es auch verstehen, helfen uns, etwas tiefer zu schauen und wir müssen nichts anderes tun, als: im Sessel sitzen – Bierchen in der Hand – und zuhören.
Jona, das ist der mit dem Wal: In der biblischen Geschichten erhält er von Gott den Auftrag, in die Stadt Ninive zu gehen und dort den Bewohnern Gottes Strafgericht anzudrohen. Jona aber geht nicht nach Ninive, sondern besteigt ein Schiff in die entgegengesetzte Richtung. Das Schiff mit Jona an Bord gerät in einem Sturm auf dem Mittelmeer in Seenot, und der Grund dafür ist schnell ausgemacht: Jona, der seinem Auftrag zu entfliehen sucht. So lässt er sich von den Seeleuten ins Meer werfen, woraufhin sich der Sturm augenblicklich legt (und die Seeleute sich bekehren). Jona aber wird von einem Wal verschlungen und drei Tage später von diesem an Land wieder ausgespien. Nun geht Jona tatsächlich nach Ninive und warnt die Einwohner vor der Strafe Gottes. Dies löst bei Bevölkerung Ninives eine Bußbewegung aus, woraufhin Gott das angekündigte Gericht nicht vollstreckt.
Währenddessen wartet Jona wartet außerhalb der Stadt in einer Laubhütte auf die Strafe Gottes. Als am Morgen die „Rizinusstaude“ um seine Hütte verdorrt ist, aber über Ninive offensichtlich kein Gericht hereingebrochen ist, ist Jona erzürnt über diesen inkonsequenten Gott.
„… und ich sollte kein Mitleid haben mir der großen Stadt Ninive“, entgegnet Gott ihm, „in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die zwischen rechts und links nicht unterscheiden können – und außerdem so viel Vieh?“ Und damit endet die Erzählung.
Genau in diesen letzten Sätzen sieht der Berliner Religionswissenschaftler Klaus Heinrich – und mit ihm Jakob Deibl – den Angelpunkt des Textes, ja sogar einen Interpretationsschlüssel für das Erste Testament überhaupt. Heinrich und Deibl sehen in Jona aber nicht etwa einen schlechtgelaunten Propheten, der einfach nur zum Jagen getragen werden muss, sondern für beide ist Jona ein „Verräter“ – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Worin besteht aber Jonas Verrat? Was wären die Alternativen gewesen? Und wie kommt der Benediktinerpater Jakob Deibl überhaupt dazu, Jona so ganz anders zu lesen?
Das wird er uns beim ersten Tauchgang 2020 erzählen.
Prof. Dr. Dr. Jakob Helmut Deibl OSB, geboren 1978, ist mit 18 Jahren in den Benediktinerorden in Melk eingetreten. Er studierte Theologie und Philosophie und promovierte jeweils in beiden Fächern. In seiner Habilitation Fundamentaltheologie hat er sich u.a. mit Friedrich Hölderlin befasst. Er war Gastprofessor am Päpstlichen Athenaeum Sant’Anselmo (Rom), Lehrer am Öffentlichen Stiftsgymnasium Melk, hat mit der Task Force „Dialog der Kulturen“ im Ministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) zusammengearbeitet. Seit September 2019 ist er Assistenzprofessor an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien (Fachbereich Theologische Grundlagenforschung) für den Bereich „Religion und Ästhetik“.