Das richtige Verständnis der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates ist umstritten. Wie Horst Dreier in seinem jüngsten Werk „Staat ohne Gott. Religion in der säkularen Moderne“ betont, ist diese ein Schlüssel- und Zentralbegriff für die Auslegung der Religionsfreiheit. Dabei ist es Horst Dreier zufolge ein gängiges Missverständnis, in der Neutralitätsforderung die Rechtfertigung für die Verbannung religiöser Rede und Symbolik aus der Arena der öffentlichen Auseinandersetzung in der Demokratie zu erblicken. Doch ganz abgesehen davon sieht sich das Neutralitätsgebot immer wieder kritischen Einwänden ausgesetzt. Einige bezweifeln seine Geltung, andere beobachten einen vermeintlichen Selbstwiderspruch. Beides lässt sich widerlegen. Verfehlt ist nach Horst Dreier allerdings die Tendenz der Rechtsprechung, das Neutralitätsgebot lediglich auf eine Abwägung zwischen Grundrechten der „positiven“ und der „negativen“ Religionsfreiheit zu begrenzen. Die Neutralitätsforderung verpflichtet den Staat zur „Nichtidentifikation“ mit Religionen und Weltanschauungen. Was bedeutet das konkret?