Der Abend bietet Gelegenheit zur Begegnung mit einem komödiantischen Juwel des Jesuitentheaters. „TONSIASTRUS. EXERCITIUM SCHOLASTICUM IN RHETORICA“ – So heißt ein kleines – natürlich lateinisches – Jesuitendrama, das im Jahre 1730 erstmals am Münchner Jesuitengymnasium aufgeführt wurde. Derartige Stücke wurden in Jesuitengymnasien oft aufgeführt, sie blieben aber fast nie erhalten, weshalb die Vorstellung vom Jesuitentheater heute von den großen Stücken geprägt ist, deren Helden oft frühchristliche Märtyrer oder Jesuitenmissionare sind und in denen immer das ewige Heil des Menschen zentral ist.
Anton Claus’ Tonsiastrus gehört einem ganz anderen Genre an. Hier wird nicht über die „Letzten Dinge“ gesprochen, hier wird Schulstoff – in diesem Fall die Rhetorik – auf heitere Weise dargeboten und praktisch anwendbar gemacht. Das hätte auch schiefgehen können, ist es aber nicht, denn der Rhetoriklehrer Anton Claus behandelt sein Thema mit erheblicher Selbstironie. Das Stück spielt in einem Wirtshaus, das von dem eitlen und betrügerischen Wirt Tonsiastrus geführt wird. Sein Name bedeutet ungefähr „Beutelschneider“. In dessen Wirtshaus geraten drei Gymnasiasten, die dort aufgrund des für sie geltenden Wirtshausverbots eigentlich nicht einkehren dürften, was dem Publikum von 1730 natürlich bekannt war. Aber Anton Claus verlegt den Zuschauerraum gleich mit ins Wirtshaus, wie eine Wendung am Ende des Stückes deutlich macht. Immerhin dürfen sich die drei Regelbrecher mehrfach als gute Lateiner beweisen, auch wenn sie den Gipfel des Musenberges, der im Stück eine entscheidende Bedeutung hat, letztlich nicht erklimmen können. Hingegen spricht der Wirt wie Cicero persönlich, allerdings nur deshalb, weil er Stellen aus dessen Reden adaptiert. Das haben die damaligen Zuschauer mit Sicherheit bemerkt, denn genau diese Stellen kamen als Mustersätze in ihren Schulbüchern vor. Und schließlich gibt es noch einen etwas tumben Hausknecht sowie einen jungen, unterbezahlten Kellner, dem Anton Claus die brillantesten Sätze in den Mund legt.
Anlässlich des jüngst in der Friedenauer Presse erschienenen Stückes „Tonsiastrus, oder Szenen im Wirtshaus auf dem Weg zum ewigen Heil des Menschen“, teilen der Journalist und Schriftsteller Dr. Bernhard Viel sowie der Herausgeber des Tonsiastrus, Prof. Dr. Christian Hecht, im Gespräch mit dem Potsdamer Germanisten PD Dr. Andreas Keller ihre Leidenschaft für das Jesuitentheater. Musikalisch gerahmt wird der Abend durch die renommierte Barockmusikerin Christiane Gerhardt. Ausgewählte Szenen des Tonsiastrus werden zur Aufführung gebracht.