Heine ist ein Dichter der Übergänge. Als deutscher Jude befindet er sich in einem Zwiespalt zwischen seiner jüdischen Identität und einer antisemitisch geprägten nationalistisch-christlichen Gesellschaft. Im Juni 1825 lässt er sich in Heiligenstadt taufen, um seine Berufschancen zu verbessern, aber dieser Versuch, den Konflikt durch die Konversion zu lösen, scheitert kläglich.
»Lebe wohl, du heilge Schwelle […].« Mit diesen Worten sagt der junge Heinrich Heine im Sommer 1819 der Hansestadt Hamburg und all den Unerquicklichkeiten der vergangenen Zeit Adieu. Sieben Jahre später wiederholt er ein solches »Lebet wohl!« und setzt es programmatisch an den Anfang seiner Harzreise, seiner persönlichen Exodus-Erzählung. Dabei gelingt es dem Dichter, die Identitätsschwebe zwischen den Welten zu einer Existenz- und Kunstform zu erheben. Er wird selbst zum Seismographen einer jungen jüdischen Generation, die vergeblich einen Ausweg aus dem »Bannkreis des Judentums« sucht. In welches Gelobte Land aber dieser Exodus führen soll, diese Frage variiert stark in Heines frühen Jahren und Schriften und schwankt zwischen Gegensätzen.
Im Gespräch mit der Benediktinerin Dr. Raphaela Brüggenthies OSB erkundet der Abend die konfliktreichen Übergänge und Balanceakte zwischen Judentum und Christentum, zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Tradition und Moderne, die Heinrich Heine zu einem herausragenden poetischen Werk gestaltete.
Moderation: Marina Sawall