Wenn es um Deutschlands Verantwortung in der Welt geht, werden oft zwei widerstreitende Bilder bemüht: Dem europäischen Hegemon, der endlich seiner Verantwortung gerecht werden und angemessene Investitionen in Sicherheits- und Außenpolitik tätigen soll, steht das Bild des sich moralisch aufblähenden Zwergs gegenüber, der sich in Weltrettungsphantasien ergeht und dabei seine realen Handlungspotentiale weit überschätzt.
Bernd Ulrich mahnt die unauffällige Mehrheit der Babyboomer, sich den Erfolg eines kulturellen Wandels einzugestehen, den diese in großem Maße selbst herbeigeführt haben: die erreichte „Vergrünung“ der Republik bedeutet, dass die bequeme Position einer eingebildeten moralischen Minderheit geräumt werden muss. Statt die Macht immer anderswo zu wähnen, stehen Entscheidungen an. Der Streit um die Bewältigung der aktuellen Fluchtbewegungen ist eine der Schnittstellen, an denen Außen- und Innenpolitik sich hart treffen. Wofür wollen die Deutschen einstehen, wofür wollen sie einen Preis bezahlen? Und wer fühlt sich dafür verantwortlich, auch diejenigen zu überzeugen, denen die ganze Richtung nicht passt und deren Unbehagen an der schleichenden Kulturtransformation sich nun massiv Bahn bricht?